10.Dez.2022

Gedanken zum 3. Advent

“Advent, Advent ein Lichtlein brennt,

erst eins, dann zwei, dann drei …”

Jeden Sonntag in der Adventszeit sprechen wir uns gegenseitig vorweihnachtliche Wünsche aus – heute bereits zum dritten Mal in diesem Jahr.

Was möchten wir damit zum Ausdruck bringen?

Warum ist dieses “Ritual” für uns so wichtig?

Oder ist es nur eine Floskel, die irgendwann, durch irgendjemanden, von irgendwo nach Deutschland mitgebracht wurde?

Tradition

Die Adventszeit gehört zu unserer gesellschaftlichen Tradition in der Vorweihnachtszeit genauso, wie die Fastenzeit und der Karneval zur Osterzeit gehören. 

Aber was ist Advent eigentlich? Was bedeutet diese Zeit für uns – ob Christen oder nicht? Was sollte mit der Einführung dieser Tradition überhaupt bezweckt werden? 

Wenn wir es ganz genau betrachten würden, müssten wir allen Nichtchristen die Teilnahme an den Adventsaktivitäten und Bräuchen versagen. Denn der Advent ist, streng genommen, eine alte, kirchliche Tradition. 

Gehen wir weit genug in die Vergangenheit zurück, dann stellen wir fest, dass im frühen Christentum die Adventszeit eigentlich eine Fastenzeit war. Die frühen Christen fasteten vom 11. November bis Weihnachten, das ursprünglich am 6 Januar, dem Fest der Erscheinung des Herrn gefeiert wurde. In diesen sogenannten »geschlossenen Zeiten«, durfte weder getanzt noch gefeiert werden.

Schaut man im Dezember auf den hamburgischen Gänsemarkt vorbei, wird man schnell feststellen, dass es keinerlei Spuren von dem Ursprung mehr zu sehen gibt. Es wird vielleicht nicht getanzt auf dem Weihnachtsmarkt, doch das gemeinsame Feiern, Trinken und Lachen gehört zur Weihnachtstradition mittlerweile dazu.

Im 7. Jahrhundert war das Fasten allerdings auch für Papst Gregor den Großen anscheinend zu lang. Darauf kürzte er die ursprünglichen sechs Wochen auf vier Sonntage, mit der Begründung, dass die Zahl 4 die viertausend Jahre symbolisieren, in denen die Menschen nach dem Sündenfall auf den Erlöser warten müssten: “Tempus ante natale Domini”. Die Fastenzeit wurde so zur Adventszeit.

Bedeutung

Das Wort “Advent” soll im Lateinischen „Ankunft” bezeichnen. Schauen wir bei den Griechen vorbei, finden wir in diesem Zusammenhang eine »epiphaneia«, eine Erscheinung. Ob Latein oder Griechisch, beide Sprachen meinen mit Advent die Ankunft, Anwesenheit, Erscheinung bzw. den Besuch eines Amtsträgers, insbesondere die Ankunft eines Königs oder Kaisers. Fügt man die Erklärung von Papst Gregor dazu, wird aus dem Advent die uns bekannte vierwöchige Advents – Wartezeit auf die Ankunft des Königs, des Erlösers nämlich Jesus Christus.  

Die lange Entwicklungsgeschichte des Adventsbrauchs in Betracht zu ziehen, sind wir gezwungen den Gedanken, es sei eine Floskel – eine formelhafte Redewendung, zu widerlegen. Es ist eine Zeit, in der die Christen seit nun fast 15. Jahrhundert auf die Ankunft eines Messiah warten, der quasi mit seiner Geburt die Menschheit erlösen soll.

Vier Kerzen werden nacheinander jeden weiteren Sonntag auf dem Adventskranz angezündet. Neben dem Adventskalender ist dies der wichtigste Brauch, der übrigens erst durch den evangelischen Theologen Johann Hinrich Wichern im 1839 eingeführt wurde. 

Die Zunahme des Lichts, nimmt mit der näher kommenden Geburt Jesu ebenfalls Woche für Woche zu und symbolisiert die nahende Erlösung und die damit einhergehende Vollendung der Wartezeit.

Ich frage mich nur, was ist dann mit den Nichtchristen? Warten sie auch? Wahrscheinlich nicht. Werden sie auch erlöst oder lässt Christus, der  NEU – geborene, sie links liegen? Alles ist eine Frage des Glaubens, glaube ich 😉 . 

Hoffnung

Wie dem auch sei, mit der Adventszeit gehen individuelle Erwartungen und Hoffnungen einher. Vielleicht sind wir deswegen auch so sehr angespornt, uns eine besonders schöne, friedvolle und Adventszeit zu gestalten. Weil wir hoffen, weil wir glauben….worauf auch immer….jeder auf seine Art und Weise. 

Die Geschichte an sich erklärt allerdings im Weitesten nicht, warum der Advent die Zeit der Wünsche ist. Recherchiert man im Netz nach dem Grund, findet man nicht viel. Die Suche führt eher zu verschiedenen Sprüchen und mehr oder weniger schön ausgearbeiteten Formulierungen, doch nach dem Grund sucht man vergeblich.

Wünsche

Wir müssen an dieser Stelle notgedrungen kurz die Adventszeit verlassen und uns auf eine Suche nach der psychologischen Bedeutung des Wünschens an sich machen. Was ist also ein Wunsch? 

Auf den Seiten von Wikipedia findet man folgende Beschreibung:

”Ein Wunsch ist ein Begehren nach einer Sache oder Fähigkeit, ein Streben oder zumindest die Hoffnung auf eine Veränderung der Realität oder Wahrnehmung oder das Erreichen eines Zieles für sich selbst oder für einen Anderen.” 

Wikipedia

Also Hoffnung… Hoffnung auf eine Veränderung, auf eine bessere Zukunft. 

In seinen philosophisch – psychologischen Überlegungen formuliert Manfred Helfrecht folgende Aussage:

„Stellen Sie sich die Seele des Menschen als leere Hülle oder als leeren Schmuckbehälter vor, wenn er zur Welt kommt. Die ersten Lebenserfahrungen in Verbindung mit seinen Erb-Prägungen lassen in diesem Menschen eigene Wünsche entstehen. Ein Verlangen nach irgendwelchen materiell-körperlichen oder ideell-seelischen Bedürfnisbefriedigungen entsteht. So entsteht der Inhalt seiner Seele. Es sind des Menschen ureigene Wünsche, die aus eigenen ersten Mangelerfahrungen heraus geprägt werden.”

Manfred Helfrecht “Methodik”

Ob man hierzu den Konstrukt der Seele nachvollziehen und annehmen kann, bleibt jedem selbst überlassen, doch interessant wird der Abschlusssatz. 

Wünsche entstehen aus den Mangelerfahrungen heraus

Auch wenn sich die Frage nach den eigenen Mängeln relativ schnell beantworten lässt und wir hier nicht auf negative Wünsche näher eingehen werden, so ist das Konzept der Adventswünsche eine ganz andere Geschichte. 

Wir müssten über das Wissen verfügen oder wir nehmen es einfach an, dass der Mensch, dem wir gute, schöne oder welche auch immer Wünsche aussprechen, diesbezüglich an Mangelerfahrungen leidet. Ist dies nicht eine ethisch höchst fragwürdige Unterstellung? 

Also warum tun wir das? Geht es uns dadurch besser, wenn wir annehmen, dass der Andere unsere besten Wünsche braucht? 

Wäre es nicht sinnvoller anstatt zu wünschen, die Realität einfach aus der Vorstellung heraus zu kreieren? 

Indem wir ein: „Ich wünsche Dir einen schönen 1, 2, 3 oder 4. Advent”, zu einem: „Es werde ein schöner … Advent!” umformulieren? 

Diese Kreation ruft kein Mangel hervor, ebenso impliziert sie kein Besserwissen über die Situation des Anderen, sondern lässt den Zustand erscheinen. Eigentlich ziemlich einfach, oder? 

Doch wir machen uns kaum oder überhaupt keine Gedanken darüber, warum wir unseren Mitmenschen, Liebsten, Freunden, wem auch immer, Wünsche aussprechen. Wir tun es, weil alle es tun. 

Wäre es nicht an der Zeit über das oben „Angenommene” nachzudenken? Nicht nur zur Advents- und Weihnachtszeit sondern grundsätzlich? 

Wäre es nicht an der Zeit, die Mangelerfahrungen, wie Helfrecht sie trefflich mit Wünschen konnotiert, in Füllerfahrungen umzuwandeln?

Wäre es nicht generell sinnvoller sich zu bedanken, für eine vorweggenommene Fülle, für sich selbst und für den Nächsten…anstatt jedem und allem etwas zu wünschen? 

Unabhängig davon, jeder hat seine eigene Wahrnehmung in bestimmten Situationen und Erfahrungen im Zusammenhang mit seinen Wertvorstellungen und Prägungen gesammelt. Was für mich positiv erscheint, kann für den anderen das Gegenteil bedeuten. Aber das ist schon nochmal eine ganz andere Geschichte. 

In diesem Sinne, zur Adventszeit: 

DANKE – Es werde Licht, es werde Liebe!

Anah Elia von Stern

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